Davos zwischen Zauberberg und Spengler Cup

31.08.25 - Von Urs Berger

Über Davos liegt seit jeher ein Hauch von Thomas Manns Zauberberg: Stille, Höhenluft, das Schweben zwischen Innehalten und Aufbruch. Auch der HC Davos bewegt sich zwischen diesen Polen – einer Tradition, die im Spengler Cup weltbekannt ist, und dem ständigen Drang nach Tempo und Erneuerung in der National League. Trainer Josh Holden wirkt dabei wie ein Direktor Behrens des Eishockeys: er ordnet, ermahnt, strukturiert. Doch sobald das Team das „Sanatorium“, sprich die Garderobe, verlässt, wird aus Ruhe und Nachdenken blitzschnelles Tempo auf dem Eis – ein Aufbruch ins Tal, mitten hinein in den Liga-Alltag.

Der HC Davos ist nicht nur einfach ein Klub. Er ist ein Klub der Weltweit seine Strahlkraft entfaltet. Zu Zeiten, als Thomas Mann in Davos weilte, gab es den Klub noch nicht. Dennoch zelebriert Mann in seinem Werk die Ortschaft Davos subtil und gnadenlos offen. Gerade deshalb lohnt sich nicht nur das Lesen dieses über 1100 Seiten grossen Klassiker der Weltliteratur, nein, es zwingt einem den HC Davos mit den verschiedenen Figuren Manns aus dem Zauberberg gegenüberzustellen. So wird aus Trainer Josh Holden der Italiener Settembrini in Kombination mit dem Klinik Direktor Behrens. Holden verkörpert diese beiden Figuren perfekt. Einmal Humanist, Intelektueller mit einem Direktor, welcher nüchtern das Geschehen in seinem Sanatorium, entschuldigung, seiner Mannschaft analysiert und doch immer wieder kontrolliert und korrigiert. Dies Kombination macht aus dem einst feurigen Spieler Holden der perfekte, charismatische Trainer an der Bande, der unberechenbar aber doch kalkulierend seine Mannschaft antreibt.

Im Tor hat sich mit der Vertragsverlängerung von Sandro Aeschlimann und Luca Hollenstein der Staub gesetzt. Die Beteiligten wissen nun, das sie auf Konstanz setzten können. Dennoch drängt sich die Frage auf, ob das Duo wirklich grösseren Ansprüchen gewachsen sein kann. Sie erscheinen oft wie ein fragiles Gesamtwerk. Oder, um es mit der Mann`schen Wortwahl zu beschreiben, «kontrasierenden Krankengeschichten, welche sie immer wieder überschreiben.» Einmal überragende Stabilität, danach wieder diese fragile Verleltzlichkeit. Es scheint, als seien die beiden wie zwei Zimmernachbarn mit unterschiedlichen Krankheits Prognosen. Oder werden sie dieses Jahr den Staub aus den Kleidern schütteln und den einen grossen Schritt nach vorne tun und den HC Davos nach vorne bringen? Denn in der Ruhe liegt die Kraft. Vielleicht mit einer ausgiebigen Liegekur auf der Zimmerveranda zwischen den Spielen?

In der Verteidigung ist Michael Fora der Abräumer und gleichzeitig auch der Abwehrchef. Das mag abwägig sein. Doch wenn man ihm beim Spiel zuschaut so bechleicht einem das Gefühl dass in ihm ein Joachim Zimssen steckt. Der disziplinierte Cousin, der Soldat, von Hans Castorp der Hauptfigur aus dem Buch Zauberberg. Er spielt solide, verlässlich und hat doch auch hin und wieder seine kleinen Fehler, die Holden ihm verzeihen mag. Da passt es gut, dass der Tessiner durch einen weiteren hart spielenden Verteidiger ergänzt wird. Klas Dahlbeck spielt kompromisslos in seinem oft starren Stil. Er wirkt, als sei er der Betonmischer selbst. Fast wie dies die Roman Figur Naphta als Jesuit verkörpert – kompromisslos, hart, starr und streng – und doch menschlich beweglich. So wie dies Dahlbeck in seinem Schuss ab der blauen Linie immer weider aufzeigt.

Im Sturm gilt es ein Auge auf den jungen Simon Knak zu werfen. Mit seinen 23 Jahren erinnert er an den ungestümen Hans Castorp. Er scheint ein suchender zwischen den Weltern, der Ruhe und dem Aufbruch zu sein. Soll er, der von den Nashville Predators ausgewählte Stürmer mit der NHL kokettieren oder soll er sich nach vorne und dem HC Davos als fester Klub anschliessen? Soll er sich zwischen der grellen Country-Metropole entscheiden oder dem behaglichen Bergdorf Davos? Das Knak das Talent hat zu reüssieren, ob in Davos oder in der Stadt der Great Old Oprey des Countrys, ist nicht von der Hand zu weisen. Doch wo liegt seine Zukunft? Diese Spielzeit könnte für ihn vielleicht die wichtigste seiner noch jungen Karriere werden.

Diese Frage muss sich der ehemalige Erstrundendraft der Detroit Red Wings von 2018 nicht mehr stellen. Filip Zadina erinnert an Clawdia Chauchat, der verfürerischen jungen rätselhaften Frau aus dem Mannschen Buch. Offensiv begabt, launisch und unberechenbar. Er verführt seine Mitspieler zu offensivem Irrsinn und lässt seine Verteidiger oft im Wahnsinn zurück. Und doch – diese Prise Wahnsinn und seinem Tempo macht ihn für den Gegner so schwer zu fassen. Und für den HC Davos kann dies der Schlüssel sein, um noch erfolgreicher zu werden.

Um Zadina zu unterstützen, würde sich Enzo Corvi anbieten. Ein charismatischer, kreativer aber manchmal verspielt wirkender Center, welcher die Genialität des Tschechen anstachelt. Fast scheint es, als sei Corvi der Dr. Krokowski aus dem Zauberberg. Charmant, ideenvoll, welche nicht immer logisch, aber genial in der Vollendung sind. Vielleicht das Offensivhirn in der Sturmabteilung des Clubs aus dem Landwassertal?

Mit Adam Tambelini und Matej Stransky stehen zwei weitere Ausländer im Kader welche mit ihrer Erfahrung, Reife und Routine Spiele entscheiden können. Das beide indes hie und da von der Rolle sind, mag dass gewisse etwas in Davos sein. Dafür kommt aus der AHL Rasmus Asplund. Der Schwede soll, so hoft man in Davos, die beiden an die Leine nehmen und für Ruhe und noch mehr Ordnung sorgen.

Beim HC Davos fehlt es auch nicht an jungen Spielern. Beni Waidacher, Simon Müller und Laurin Soler sollen in der ersten Mannschaft nach und nach in das Sanatorium HC Davos integriert werden. Als neue Patienten mit ungewisser Zukunft sollen sie Erfahrungen sammeln, die ihnen in der Liga dienen können. Die Frage ist indes, ob sie zu genügend Einsatzzeit kommen werden. Direktor Berhens – Entschuldigung, Trainer Josh Holden – muss diese Balance zwischen Ausbildung und Erfolg schaffen. Dass dies nicht ausgeschlossen ist, zeigte er in der verganggenen Saison. In seinem ersten Jahr als Chef an der Bande belegte er Rang fünf und scheiterte erst im Halbfinale. Einen besseren Einstand konnte es für den Kanadier nicht geben. Oder wie würde Settembrini sagen? «Der Fortschritt ist unaufhaltsam.»

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