Bern: Bestätigung oder mehr?

02.09.25 - Von Rolf Probst

Letzte Saison lieferte der SC Bern mit dem 3. Rang eine tolle Qualifikation ab, versagte jedoch in den Playoffs-Viertelfinal gegen den Erzrivalen aus Fribourg. Gründe dazu gab es einige, u.a. konnten viele ihr Potential im entscheidenden Moment nicht abrufen, der SC Bern spielte eher im Freundschafts- als Playoff-Modus und man hatte keinen «Hexer» im Tor. Diese Problematik wird die Berner auch in dieser Saison begleiten. Zudem verliess der letztjährige Topscorer Austin Czarnik die Berner Richtung Lausanne. Nun müssen andere in die Bresche springen. Ob das gelingt? Man wird es sehen. Noch wird gemunkelt, ob Bern den schwedischen Stürmer Emil Bemström unter Vertrag nehmen wird.

Torhüter

Dieses Thema beschäftigt die Fans und die Medien ziemlich stark, darum darf man hier etwas genauer hinschauen.

Die Goalie-Situation beim SC Bern hat sich im Vergleich zur Vorsaison lediglich hinter Adam Reideborn verändert. Philip Wüthrich zog es mangels Perspektiven beim SC Bern in die Leventina zum Kultverein HC Ambrì-Piotta. Andri Henauer wird wohl immer noch der 3. Goalie bleiben, muss aber mit Neuzuzug Christof von Burg (kam vom EHC Winterthur) um diese Position kämpfen. Routinier Sandro Zurkirchen wurde vom EHC Kloten geholt. Der SC Bern ist bereits seine 7. Station in der NLA (EVZ, HCAP, LHC, HCL, HCGS, EHCK). Für ihn wird es sicherlich ähnlich verlaufen wie bei Philip Wüthrich. Er ist die klare Nummer 2, wird seine Spiele bekommen, aber mehr auch nicht.

Es waren noch Zeiten, als der SC Bern die grossen Goalies unter Vertrag hatte, welche über Jahre hinweg die unumstrittene Nummer eins im Tor der Stadtberner waren (René "Gagu" Kiener, Jürg Jäggi, etc.). Von 1978 bis 2023 hatte der SC Bern in 45 Jahren vier grossartige Goalies (Edi Grubauer, Renato Tosio, Marco Bührer, Leonardo Genoni). Seit dem Weggang von Leonardo Genoni im Jahre 2019 hatte der SC Bern schon acht Goalies unter Vertrag und noch keiner konnte dabei überzeugen. Somit ist die Goalie-Position beim SC Bern eine Baustelle. Zum einen besetzt mit Adam Reideborn ein Importgoalie diese Stelle. Dadurch befinden sich jeweils "nur" fünf Importspieler auf dem Eis (die überzähligen Imports machen auf der Tribüne gute Miene zum bösen Spiel) und zum anderen ist da die Fangquote des Schweden (90.85%), welche nicht an die besten des Fachs rankommt. Wenn man diese Position mit einem Importgoalie besetzt, muss es definitiv eine "Granate" sein und nicht nur Durchschnitt. Beste Beispiele dafür sind die ZSC Lions mit Simon Hrubec (92.13%) und der EHC Biel mit Harri Säteri (91.88%). Also fraglich, ob sich Adam Reideborn in die Sphären von Šimon Hrubec und Harri Säteri steigern kann. Schlussendlich hängt der Saisonerfolg des SC Bern zu einem grossen Teil vom Mann zwischen den Pfosten ab.

Verteidigung

Auf den ersten Blick sieht die Personalsituation in der Verteidigung besser aus als noch im Vorjahr. Aber der Schwede Anton Lindholm ist weiterhin rekonvaleszent und wird erst im Laufe der Qualifikation auf das Eis zurückkehren. Mit Aleksandr Iakovenko konnte der SC Bern vom EHC Biel einen, seit Jahren, sehr verlässlichen Offensivverteidiger verpflichten. Seine Qualitäten liegen in der Puckkontrolle, einem sehr präzisen Pass, der Angriffsauslösung und seinen Scorer-Qualitäten.

Die jungen Louis Füllemann und Nils Rhyn werden weiter behutsam in die Mannschaft integriert und erhalten ihre Eiszeit.

Der in der letzten Saison vom Stürmer zum Verteidiger umfunktionierte Joel Vermin wird auch diese Saison in der Defensive agieren, da er sich in seiner neuen Position bewährt hat und ab und zu sein Stürmer-Gen aufblühte (zudem übernimmt er im Powerplay teilweise die Quarterback-Rolle).

Die Routiniers Romain Loeffel und Ramon Untersander werden die Defensive auch in dieser Saison anführen und die jungen Spieler auf dem Eis leiten. Vom Samuel Kreis darf diese Saison mehr kommen. Er war letzte Saison auch noch verletzt, aber er hat nicht immer überzeugt.

Den Weggang von Patrik Nemeth kann der SC Bern verschmerzen. Seit Bekanntgabe seines Wechsels im Dezember 2024 zum HC Fribourg-Gottéron kam vom erfahrenen Schweden nicht mehr viel Glanzlicht. Oft hatte man das Gefühl, dass er mit seinen Gedanken schon in Fribourg war.

Sturm

Mit Austin Czarnik verlässt den SC Bern der Top-Scorer der letztjährigen Qualifikation in Richtung Vizemeister Lausanne HC. Das wird dem SC Bern weh tun, denn diese Scorerqualitäten müssen zuerst ersetzt werden. Kann Emil Bemström diese Lücke füllen? Warum nicht, denn mit Austin Czarnik (vor der Saison fragten sich viele "Austin wer?") hatten nur die Wenigsten gerechnet, dass dieser Stürmer gleich so einschlägt.

Von den SCRJ Lakers wurde der junge Mats Alge geholt. Er gilt als physischer Zweiweg-Stürmer. Mal sehen, ob er beim SC Bern einen ähnlichen Sprung wie Marco Lehmann machen kann. Die Abgänge von Thierry Bader, Elvis Schläpfer oder Vincent Ryser sollte er sicher kompensieren können. Nach acht Jahren in der Fremde (HC Ambri-Piotta, EV Zug, HC Lugano) kehrt Marco Müller nach Bern zurück. Er ist ein Spieler, der sich in den Dienst der Mannschaft stellt und solide seine Punkte sammelt. Dabei glänzt er mehr als Vorbereiter, denn als Vollstrecker. Mit seinen läuferischen Qualitäten passt er bestens in das System Tapola, welches vor allem durch Forechecking geprägt ist.

Neben Emil Bemström sind mit Miro Aaltonen (FIN), Victor Ejdsell (SWE) und Waltteri Merelä weitere skandinavische Spieler am Werk. Victor Ejdsell könnte in der Torproduktion noch etwas zulegen, aber als Vorbereiter hat er seinen Wert eindeutig bewiesen. Waltteri Merelä kam auf 52 Scorerpunkte und war somit nur knapp hinter Austin Czarnik mit 56 Scorerpunkten. Ihm wird am ehesten zugetraut, Austin Czarnik als Topscorer zu beerben. Indes wird Austin Czarnik im Powerplay schwer zu ersetzen sein. Eigentlich wäre Miro Aaltonen als Zuzug für diese Saison vorgesehen gewesen, aber wegen seinem Dopingskandal und der damit verbundenen, sofortigen Entlassung in Kloten, stiess der Finne bereits kurz vor Ende der Qualifikation zum SC Bern. Damit ist er fast wie ein halber Neuzugang. Wenn sich der Finne auf seine Qualitäten auf dem Eis besinnt (und aus seinem Fehler gelernt hat), wird er den SCB-Fans viel Freude bereiten.

Trainer / Sportchef

Der SC Bern und seine Sportchefs. Bis jetzt war das nicht immer zwingend eine Erfolgsgeschichte der letzten Jahre. Patrik Bärtschi musste nach nur einer Saison wieder seine Sachen packen. Mit Diego Piceci stösst ein Mann zum SC Bern, der wohl nur den fundierten Kennern im Eishockey ein Begriff ist. Er gründete 2019 die Spieler-Vermittlung Onside Sports Agency. Jetzt erhält er vom SC Bern die Chance, sich als "Sportchef" auszuzeichnen. Seine Position beim SC Bern lautet «Leiter National League». Die bekannten Namen scheiterten, vielleicht ist gerade die Unbekannte ein Glücksgriff für den SC Bern.

Jussi Tapola nimmt seine dritte Amtszeit als Headcoach des SC Bern in Angriff. Er ist sehr detailbesessen und legt grossen Wert, dass die Spieler sein System verinnerlichen. Der Finne hat den SC Bern wieder Leben eingehaucht. Das eingespielte System könnte ein Plus darstellen.

Fazit

Beim SC Bern gibt es im Umfeld oft mehr zu reden als über die Mannschaft selbst. Den dritten Qualifikations-Rang aus der vergangenen Saison zu wiederholen, wird schwierig sein. Dennoch sollte für den SC Bern die direkte Qualifikation für die Playoffs möglich sein. Dort gilt es nun, endlich wieder eine Playoff-Serie zu gewinnen – denn die Geduld der Fans ist begrenzt. Klappt dies, wäre Vieles möglich.

hockeyfans.ch-Ranglistentipp
1.
2. SC Bern
3.
4.
5. HC Davos
6.
7.
8. Fribourg-Gottéron
9.
10. SCL Tigers
11.
12.
13.
14.

Zum Saisonstart: Slapshot Hockey-Guide 2025/2026

Jetzt vorbestellen! Der Guide erscheint kurz vor Saisonstart!
CHF 20 (zzgl. Porto)

Bestellung

Verwandte Hintergrund Artikel