Herning zwischen Hygge und Hockeyfieber
Der dänische Co-Gastgeber Herning ist nicht gerade eine Metropole, versucht Nachteile wie mangelnde Hotelkapazitäten aber mit Improvisationskunst, hyggeliger Atmosphäre und viel Hockeypräsenz in der Kleinstadt wettzumachen – bis hin zu einem Hockeycamp mit über 100 Wohnwagen gleich neben der Spielstätte.
Mit etwas über 51'000 Einwohnern gehört Herning zu den kleinsten Städten, die in der Neuzeit eine Eishockey-WM ausgetragen haben. Das kann Herausforderungen mit sich bringen. So sind die wichtigsten Hotels bereits für Teams, Offizielle und TV-Produktion besetzt. Medienschaffende werden vom Organisationskomitee auf die 42 Kilometer entfernte Stadt Silkeborg verwiesen – wir fanden uns selbst etwas in einem «hyggeligen» Dorf auf halbem Wege. Und auch viele Fans mussten in alle Himmelsrichtungen irgendwo zwischen Nordsee und Ostküste ausweichen.
Eine WM ein bisschen anders für die Fans. Und nächstes Jahr könnte es sogar noch extremer werden, denn der Zweitspielort Fribourg ist noch kleiner, Hotelzimmer noch rarer, so dass die Schweizer Organisatoren die acht Mannschaften in Bern unterzubringen planen – ausgerechnet beim grossen, bösen Rivalen der lokalen Hockeyszene.
Doch Herning versucht logistische Schwierigkeiten für die ausländische Gäste mit viel Gastfreundschaft wettzumachen. «Hygge» ist angesagt, das bekannte unübersetzbare dänische Wort, das man einigermassen mit einer Mischung aus Heimeligkeit, Gemütlichkeit, Gelassenheit und Glückseligkeit umschreiben könnte. Viele Fans übernachten daher in anderen Städten, Dörfern oder Blockhütten im Grünen – oder im Wohnmobil, aber dazu später mehr.
Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man so nach Abendspielen zwar nicht heim, dafür ist die Anfahrt mit dem Auto mit rund 6000 Parkplätzen kein Problem. Die Arena ist Teil eins Messegeländes, daneben befindet sich auch das Fussballstadion, wo der dänische Spitzenclub FC Midtjylland schon Spiele der Champions League austrug. An Platz mangelt es daher nicht.
Und weil Herning klein und hyggelig ist, lässt es sich in den grossen Fanzonen der Arena wie auch im kompakten Stadtzentrum mit seiner Barmeile sowie Zelten und Streetfood-Ständen feiern. Dank der Eishockey-WM ist in diesen Tagen immer etwas los, was die Herzen der Hockeyfans höherschlagen lässt. Nach dem offiziellen Motto der Stadt: «Hygge Hockey Herning».
Fan Walk: Vom Zentrum zur Arena
Mit 3,5 Kilometern Distanz ist die Arena bereits am Stadtrand. Die Distanz ist zwar kein Katzensprung, als «Fan Walk» jedoch besonders gut für die Fans markiert. Das sonnige Wetter mit leicht nordischer Bise macht es für jene, die in Herning selbst untergekommen sind, umso attraktiver, zu Fuss zur Arena zu gehen, obwohl es eine S-Bahn-Verbindung und kostenlose Shuttle-Busse gäbe.
Auf dem Weg warten Fahnen, Banner und Restaurants ebenso wie Graffitis und ein überdimensionaler Hockeypuck – nach eigenen Angaben den grössten der Welt.
Fanzonen innen und aussen als Schmelztiegel
Bei den Fanzonen haben sich die Organisatoren besonders viel einfallen lassen, denn bei der Arena gibt es draussen wie auch drinnen in zwei Messehallen besonders viel Platz. Beim nordischen Klima wurde vor allem innen viel eingerichtet, auch wenn der trockene Mai nicht dem gängigen Klischee von Regen und Kälte entsprach und es sich so auch draussen in der Sonne gut feiern lässt.
Auf 18'000 Quadratmetern gibt es täglich bis 23:30 neben den gängigen Sponsoren-Aktivitäten zahlreiche Foodtrucks, musikalische Unterhaltung, Spielmöglichkeiten und natürlich viel Bier.
Ob Hockey draussen auf Beton oder drinnen, als Tischhockey oder Shufflepuck – oder einfach Tischtennis – den grossen und kleinen Fans werden verschiedene Möglichkeiten angeboten sich zu betätigen. Oder man kann mal Eismeister werden und einen Zamboni besteigen oder zum «Shouting Viking» seine Stimme messen. Damit bieten die Organisatoren einen Ort, an dem sich Fans aus aller Welt treffen, feiern und auch Spiele gemeinsam verfolgen können mit grossen Bildschirmen. Und wer schlapp wird, für den hat ein dänischer Sponsor einige Betten bereit um seine Matratzen zu testen.
Für Familien gibt es spezielle Bereiche mit Kinderprogrammen, während kulinarische Stände regionale und internationale Speisen zu humanen Preisen anbieten. So kann man im bayrischen gestalteten Biergarten etwa Currywurst und dänisches Bier geniessen (da haben sich die Organisatoren kulinarisch um ein paar Kilometer vertan, was Nicht-Deutsche ihnen verzeihen mögen), oder von Foodtrucks dänisches Grilliertes, griechische Pitas, Sushi oder etwas vom Thai-Truck holen können. Es scheint für alle etwas dabei zu sein.
Hockey-Camping neben der Arena
Das Nonplusultra-Hockeyerlebnis bietet sich Camping-Fans, denn neben der Jyske Bank Boxen organisiert der Messeveranstalter das «Hockey Camping» – perfekt für Fans, die einen Wohnwagen haben, das Zelten lieben oder die Suche nach einem Hotel frustriert aufgegeben haben. Über 100 Wohnwagen waren da. Zum Stichtag dominierten dabei die Nachbarn aus Deutschland (mit zahlreichen Fahnen und Bannern verschiedener Clubs) und Norwegen, aber auch viele Tschechen nahmen das Angebot für 48 Euro pro Nacht trotz langer Anfahrt an und einige Schweizer. Einige vermeintlich Wagemutige haben einen Platz gemietet um nur im Zelt zu schlafen, was beim angenehmen Wetter zumindest während der Vorrunde gut ging. Als Bonus gibt es überschüssiges Eis von der Eisaufbereitungsanlage vor dem Platz – zum Kühlen von Bier mit dem Eis der Hockeystars.
Das Besondere am Campingplatz ist die internationale Atmosphäre. Fans aus verschiedenen Ländern teilen ihre Leidenschaft für Eishockey, tauschen Geschichten aus und feiern gemeinsam. So können auch mal spontane Grillabende gemeinsam stattfinden und die Vorfreude auf das nächste Spiel erhöhen.
Letzte Tage Hockeyfieber
In der Stadt spürt man die Vorfreude und den Stolz, Teil eines so grossen Events zu sein. Entsprechend geschmückt und ausgeputzt ist die Stadt, auch wenn man ausserhalb der Stadtgrenzen eher wenig von der Atmosphäre spürt.
Für Tausende von Hockeyfans – auch aus der Schweiz – bot sich gegenüber den bekannten Metropolen, die gefühlt alle paar Jahre die Eishockey-WM austragen, ein einmaliges Erlebnis zwischen Hockeyfieber und dänischem Hygge. Letztmals am Donnerstag, wenn die beiden Viertelfinalspiele stattfinden, darunter jenes der Schweiz. Danach geht es fürs Finalwochenende nach Stockholm, der schwedischen Metropole, die zum elften Mal WM-Gastgeber ist. Letztmals, 2013, holten die Schweizer hier Silber und die erste WM-Medaille der Neuzeit überhaupt.